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Stellungnahmen:

Altdorf, 16. April 2008

Franz Muheim
Altständerat
Bahnhofstrasse 55
6460 Altdorf

Herr Professor
Dr. Harro von Senger
(...)

 

Sehr geehrter, lieber Herr Professor

Ihre neueste Publikation" "Moulüe-Supraplanung" hat mich fasziniert und zu diesen persönlichen Zeilen bewogen. Seit mehreren Jahrzehnten interessiere ich mich für die Kulturen und Zivilisationen Ostasiens. Zu solchem Interesse wurde ich -wie Sie wissen -auch von Professor Dr. Thomas Immos angeregt. In Ihrer neuesten Schrift finde ich Gedankengange, die mir daher nicht völlig fremd sind. Ich danke Ihnen sehr herzlich, dass Sie mir auch in diesem Buch Ihre Überlegungen und Gedankenflüsse über die chinesische Denkenswelt nahe gebracht haben.

Ich hoffe sehr, dass Sie die nachfolgenden Äusserungen nicht als Anmassung eines in diesen Fragen nach wie vor grossen Dilettanten betrachten. Drei Gedankenstrange in Ihrem neusten Werk indessen haben meine besondere Aufmerksamkeit gefunden.

  1. Es ist Ihnen gelungen, die chinesische Geisteswelt und Politik aus der Sicht der heute massgebenden Ideologie zu erschliessen. Ihre vertiefte Auseinandersetzung mit dem Sinomarxismus mündet aus in einer unverzichtbaren Klarung der Frage nach den Kerninhalten des dialektischen-historischen Materialismus. Es ist Ihnen mit den diesbezüglichen Gedankengängen gelungen, die Besonderheit der genannten geistesgeschichtlichen Doktrin zu klaren. Dies konnte Ihnen nur durch tiefes Eindringen in ideengeschichtliche Reflexionen und deren Zusammenhange gelingen. China als Ku1turvolk folgt tief schürfenden Gedanken in viel bewussterer Weise als dies in der allzu oberflächlichen und stark materiellen Denkweise Europas und Amerikas geschieht. Wer Ihren Gedankengängen zu folgen vermag, wird über die Gegenwart und Zukunft Chinas präzisere Aussagen formulieren dürfen als jene sich oft "Intellektuelle" nennenden Personen, die aus europäischer Sicht fremde Volker und deren Kulturen zu beurteilen sich berufen fühlen.
     
  2. Interessant wäre eine Antwort auf die Frage, ob der Sinomarxismus mit der ethnischen Grundstruktur der Han-Chinesen eng verknüpft ist. Ist die chinesische Geisteswelt der kollektivistischen Komponente des Marxismus naher als dies in der individualistisch geprägten Welt der Fall ist? Nach Auffassung von Professor Immos vermag die chinesische Denkweise Widersprüchlichkeiten mühelos zu überspringen. Sie hat eine nicht europäisch geprägte Logik entwickelt. Ich glaube, in Ihrer Publikation vor allem dort bestätigende Anhaltspunkte zugunsten dieser Meinung zu finden, wo Sie sich mit einigen der 16 Denkmethoden befassen wie mit dem "Widerspruch" in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen.
     
  3. Beim Lesen Ihres Buches kommt immer wieder der Gedanke auf, dass das chinesische Kaisertum offenbar ein besonders günstiger Nährboden für den Sinomarxismus war. Der von Ihnen beschriebene Charakter des heutigen China -Funktionärsdoktrin und nicht Volksreligion -dürfte wohl als Fortsetzung der kaiserlichen Gesellschaftsordnung mitsamt den Mandarinen gesehen werden. Wurde vielleicht der aus europäischem Geist geborene Marxismus durch die chinesische Tradition umgestaltet und den autochthonen Eigenschaften angepasst?

Ich möchte nochmals meine dankbare Anerkennung aussprechen für die Hervorhebung der philosophischen Elemente bei der Beurteilung der konkreten Politik Chinas, insbesondere jene seiner kommunistischen Partei. In unseren Breitengraden ist diese Art des Denkens weitgehend verloren gegangen. Weit herum wird Politik als rein pragmatische Losung konkreter Einzelprobleme betrachtet, ohne philosophische Grundsatze zu reflektieren und diese im politischen Tagesgeschehen offen zu legen. Die Verbindung des Konkreten mit dem Abstrakten ist für mich ein dringendes Postulat für eine gute Politik im 21. Jahrhundert.

Genehmigen Sie, hochgeachteter, lieber Herr Professor, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochschätzung.

Franz Muheim

Aufnahme in diese Webseite mit freundlicher Genehmigung von Herrn Altständerat Franz Muheim.

www.36strategeme.eu

 

11.01.2010